Wer gehört wohin?

Von Festivals und Vorurteilen 

 Ordnung, Disziplin, Sauberkeit. Wenn es um die drei Tage im Jahr geht, auf denen wir so gerne mal “das Niveau zu Hause lassen” sind wir doch wählerisch. Können wir das Konzept Festival unseren lieben EU-Freunden anvertauen? Blicke nach Polen an die Haltestelle Woodstock und nach Spanien zum BBK Bilbao.

Text: Christoph Trost |  Fotos: Clara Figueras

Homo Festivalensis

Auffallend angenehm war die einfache Stimmung. Wir kamen an, keine Kontrolle, kein Ticket, nichts. Das Zelt stand, das Bier war offen und wir saßen mitten unter Polen, Deutschen, ein paar lauten Engländern.

Die nächste Überraschung: Wir konnten uns tatsächlich auch mal ein Bier an der Bühne leisten ohne das ganze Kindergeld zu versaufen. Darüber hinaus gab es sogar direkt auf dem Festivalgelände einen Lidl mit dem Nötigsten zu erschwinglichen Preisen. Einen weiteren Vorzug hatte der Lidl: Wir bekamen eine sehr imposante Demonstation von eintönigen Konsum-Märkten der DDR Planwirtschaft. Da man auf einem Festival ohnehin nicht viel Varieté braucht, hatte man es bei Lidl eher schlicht mit der Produktpalette gehalten – dafür en Gros.

Und genau da liegt die Besonderheit des Woodstock: Es geht eben nicht nur um Seelenverkauf und Konsum. Die Werbebeschallung ist zu ertragen, da es ein Wohltätigkeitsfestival ist, einst als Dankesparty für eine Kinderkrankenhaus-Organisaton gedacht. Und dazu gab es eine ganze Zeltstadt für Workshops, Kleinkunst Krempel, und selbst Hare Krishna.

Aber am erstaunlichsten war doch, wer noch zwischen Machine Head, Damian Marley und In Extremo auf der Bühne rumsprang: Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski und Joachim Gauck eröffneten das Festival mit Politiker-Schwung und Schweiß. Das BKK konnte mit keiner Prominenz glänzen. Nur ein paar ausgegrabene Altrocker, die längst über ihren Zenit gegurkt waren.

Warum BBK nicht nur für egal-Typen ist.

Das BBK Bilbao gab sich jedoch mit wunderschöner Natur-Kulisse im Baskenland in Nordspanien. Ab und zu konnte man sie hinter den Heineken Werbewänden auch sehen. Der Rasen war gepflegt auf dem Campingplatz, selbst nach dem dritten Tag – Golf anstatt Flunky Ball dachten sich wohl die Veranstalter.

Es war aber doch ein so großes Spektakel. Unvorstellbar was für eine Menschenmasse beim BBK auflief und vor den Bühnen herumzappelte. Menschenmasse. Eine Masse war es dann aber doch nicht: keine Monsterparty, 20’000 Individuen tanzten alle für sich selbst in ihrer kleinen, heilen Welt, bis mal ab und zu ein Völlinger durch die Reihen quendert und erinnert: Hallo, du bist nicht zu Hause vor der Wii.

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